Ich hab es wieder geschafft
Um vier Uhr morgens setzt der Regen ein. Es pladdert massiv runter. Mein Zelt kommt an seine Belastungsgrenze, denn der Reißverschluss schafft es nicht mehr das Wasser draußen zu halten. Ich muss über den Gedanken schmunzeln, dass ich es erneut geschafft habe, mich auf Basis eines positiven Wetterberichts für verschiedene Positionen auf meiner zukünftigen Route dafür zu entscheiden, die Fähre aufs Festland zu nehmen, um dann vor Ort und nur einige Tage später exakt das zu erleben, was ich durch meine sorgfältige Planung und Vorbereitung eigentlich vermeiden wollte. Kann man mit diesem Talent Geld verdienen? 😅
Ich schaue mir den Regenradar an und warte auf ein kurzes Zeitfenster, in dem der Regen etwas nachlässt. Es hat 13 Grad. Zusammen mit reichlich Wasser verpacke ich das Zelt und fahre los. Auf dem Weg zur Straße muss ich das Rad durch einen Bach schieben, der gestern noch nicht da war. Zurück zur Hauptstraße und weiter nach Westen.
Der Regen wird wieder stärker. Auf den Straßen steht das Wasser in
großen Pfützen. Ich durchrolle sie mit angezogenen Füßen und achte
darauf, dass ich nicht gleichzeitig von einem Auto überholt werde. Eine
Wasserfontäne von der Seite brauche ich nicht auch noch.
Nach wenigen
Kilometern taucht am Straßenrand ein Supermarkt auf. Ich biege ab, um
meine Vorräte aufzustocken und Schutz unter dem Vordach zu suchen. Es
ist viertel vor zehn und ich bin einer von vielleicht fünf Kunden. Es
ist gespenstisch still, keine nervtötenden Konsumaufforderungen über
krächzende Lautsprecher, keine Menschen, die mich mit panisch
aufgerissenen Augen schneiden, weil sie befürchten ihnen könnte durch zu
viel Rücksichtnahme das letzte Schnäppchen entgehen. Anders als sonst,
habe ich nicht das Gefühl schreiend wegrennen zu wollen 😄 Ich bin drauf
und dran der Kassiererin für dieses ungewohnt angenehme Einkaufserlebnis
zu danken, doch mein portugiesisch ist noch schlechter als mein
spanisch.
Überdacht frühstückend beobachte ich wie eine weitere Zecke
aus meiner Lebensmittelstofftasche rauskrabbelt. Das ist meinem Appetit
definitiv nicht zuträglich! Die Leute laufen mit dicken Winterjacken
vom Auto zum Eingang und kurze Zeit darauf zurück. Eine junge Frau lässt
es sich auch nicht nehmen, direkt vor dem Eingang auf dem
Behindertenparkplatz zu parken, um nicht nass zu werden. Die dunklen
Wolken hängen tief, der Regen prasselt auf das Blechdach der Parkplätze.
Ich zieh mir eine lange Hose an und beobachte den Regenradar.
Knapp eine Stunde später fahr ich in einer vermeintlichen Regenpause weiter. Neben der Straße hat sich ein Bach gebildet, der von Zuflüssen aus Richtung der Häuser gespeist wird. Es dauert nicht lange und ich bin komplett nass. Ich biege ab auf einen überdachten Autowaschplatz einer Tankstelle. Da ich eh schon nass bin, nutze ich die Gelegenheit mein Rad mit einem Hochdruckreiniger zu entlehmen. Der Regen legt nochmal zu. Ich warte und friere, öle meine Kette. Verliere langsam die Hoffnung, dass ich heute noch Chance bekomme mein Zelt zum Trocknen aufzustellen. Der Gedanke nach einem Tag wie diesem in einem feuchten Zelt in einen klammen Schlafsack zu steigen ist wenig verlockend. Laut Wetterbericht soll es die nächsten 72 Stunden mit nur kurzen Unterbrechungen regnen. Selbst wenn ich das Zelt heute trocken bekäme, stehe ich morgen vor demselben Problem. Und übermorgen nochmal. Und dann nochmal.
Resigniert suche ich nach Unterkünften. Wie ironisch: vor wenigen Tagen musste ich mich vor der extremen UV-Strahlung schützen, jetzt suche ich nach einer Unterkunft, die mich vor dem Dauerregen schützen soll. Ich finde etwas einige Kilometer von hier auf meinem Weg. Ab 1600 kann ich einchecken. Ich warte erneut eine Stunde bis der Regen etwas nachlässt und fahre weiter.
...bis zu einem Bushaltstellenhäuschen, das mich vor dem nächsten Guss schützt.
Dort warte ich weitere dreieinhalb Stunden bevor ich den letzten Kilometer zu meiner Unterkunft in Angriff nehme. Am Ende des Tages habe ich gut 16 km gemacht.
Verkehrte Welt...hier ist es schonwieder zu trocken.
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