Vier Hühner
Ich übernachte im schwarzen Sand eines Strands, am Rande eines Naturparks. Mir ist bewusst, dass die Ranger hier gern nach dem rechten sehen und - bleibe. Hab das Nervenkitzel-Poti weit aufgerissen 😂
Zudem soll es heute Nacht Sternschnuppen geben. Ich stell mir den Wecker in der zweiten Nachthälfte, bin dann aber zu müde, um lange wach zu bleiben bzw. ein scharfes Bild zu sehen 🙈
Mein Schlafsack, der mich die letzten Wochen regelmäßig und erfolgreich vorm Kältetod bewahrt hat, macht seinen Job hier viel zu gut. Teils brauch ich ihn erst morgens, gegen Ende der Nacht. Genau so schlagartig hat sich das Thema Feuchtigkeit erledigt. Alles ist trocken, immer. Das heißt, sofern ich es nicht zuvor am Leib getragen hab.
Ich fahr auf der TF-28 (immernoch die beste Straße, die man unter den Rädern haben kann) Richtung Süden. Wahnsinn, ich entdecke so viele Schlafmöglichkeiten. Letztes Jahr hatte ich nur die eine Höhle im Blick, deren GPS Koordinaten ich mir auch gespeichert hatte. Aber da sind so viel mehr Optionen! Wo ich letztes Jahr - nein eigentlich war's erst Anfang des Jahres - Probleme und Risiken gesehen hab, seh ich jetzt Chancen 😅 Ich darf, ich kann sein! Ich hab gespürt, dass ich nochmal herkommen müsste. Vielleicht war das das zu erreichende Ziel.
Ich mach ne ausgedehnte Mittagspause an einer Aussichtsplattform. Ich sitze im Schatten, lese und esse. Es gesellen sich vier Hühner zu mir, die schnell zutraulich werden. Sie bekommen erst nichts, dann Brotkrümel, dann Brotstückchen, dann Bohnen - persuasive Viecher! 😃 Vermutlich um mit mir auf Augenhöhe zu chillen, springen sie alle auf den Baum, in dessen Schatten ich sitze.
Weiter geht's durch ungezählte Kurven, jede Kurvenart ist hier zigfach vertreten. Kaum Verkehr, meistens top Asphalt. Ich feiere die Straße entlang. Oben auf 500 Metern stauen sich schon die Wolken am Berg. Es wird kühl. Ich biege in der südlichen Hälfte der Insel wieder Richtung Meer ab. Dort soll ein nettes Fischerdorf liegen, hatte mir Christoph empfohlen.
Christoph, das war der Typ, der Patrick und mich am Hafen angesprochen hat, ob wir ihm nicht am Ticketschalter helfen können, sein Englisch sei nicht so gut. Am Schalter heißt es, dass kein Platz mehr für sein Womo sei. Die nächste Fähre geht in einer Woche - ist aber auch schon voll. Er könne nach Huelva fahren und dort über eine andere Insel zu seinem Ziel gelangen. (Aus Huelva ist er allerdings gekommen, wurde dort nach Cadiz geschickt.) Wir wünschen ihm viel Glück für eine Nachrück-Gelegenheit und verabschieden uns.
Am nächsten Tag steht er mit einem Whisky in der Hand an Deck. Er ist sehr glücklich und strahlt über das ganze Gesicht, er hatte schon befürchtet, seine Tochter müsse alleine Weihnachten feiern. (Sie auf Lanzarote zu besuchen ist der Grund seiner Reise.) Wir unterhalten uns. Er kommt aus der Gegend Stuttgart, in Untertürkheim hat er auch mal gewohnt. Über dreißig Jahre beim Daimler. Im Versuch, Motoren/Getriebe, ja auch NAG3. Es war der Traumberuf für ihn, aber das ganze Außenherum wurde immer unerträglicher. Dann hat man ihm ein Angebot gemacht, dass er nicht ausschlagen konnte... Wie klein diese Welt ist 😄
Nach guten sechs gerollten Kilometern komm ich im Dorf an. Es ist wieder superwarm hier unten. Jacke ausziehen. Ein paar Ferienhäuser, ein paar Menschen. Auf dem Hügel die Rohbauruine einer recht zweckmäßig gefertigten Kirche. Am Strand wird gerade ein Film gedreht. Ich schau mich nach Schlafoptionen um und entdecke dabei eine Stranddusche. Das ist gut.
Schilder verbieten explizit das Campen in diesem Bereich. Ich bewege mich in Richtung vor dem Schild auf die andere Seite des Dorfs. Beim Blick aus der Ferne entdecke ich eine ganze Siedlung um die Kirche herum: lauter graffitibunte Rohbauten. Um dort hinzugelangen muss ich einmal um das komplette Dorf fahren und anschließend ins Gelände.
Dann steh in der Kirche. Der Boden besteht aus Schutt und Kies. Dort, wo eigentlich der Altar stehen würde, liegen ein paar tote Tauben am Boden. Ich schaue durch's Fenster zum Strand. Was die Bauherren dieser Siedlung hier wohl vorhatten?
In eins der Häuser ziehe ich ein. Ein zentraler Flur, kleine Zimmer links und rechts. Wie eine Kaserne oder ein Gefängnis. Das Fahrrad park ich in einer "Zelle" und laufe runter zum Strand. Nach dem Tag ist es herrlich Schuhe und Socken auszuziehen und die Füße im Sand zu vergraben. Ich geh schwimmen: noch besser.
Die Sonne senkt sich, das Filmteam packt auch zusammen. Ich nehm meine Dusche und laufe zurück zum Fahrrad.
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