Zurück auf der alten Strecke

Vor ein paar Tagen ist der Seilzug für die Schaltung der Kettenblätter gerissen. Ich bin auf dem kleinsten weitergefahren und habe nur noch die Ritzel geschaltet. Das war ok. Gestern ist dann der Ritzel-Zug auch noch gerissen. Jetzt hab ich noch genau einen Gang (das kleinste Ritzel). Bei jeder angedeuteten Steigung muss ich aufstehen (woraufhin die Kette über die Zähne springt) oder wahlweise schieben. Wenn das in der Taktung weitergeht, müsste demnächst eine der beiden Bremsen versagen. Ich hab zwar Ersatzzüge bei mir, aber der kleinste Schraubendreher ist zu groß, um die Abdeckung der Schaltung zu öffnen 🙈
Um wenigstens etwas zu unternehmen, erhöhe ich an einer Tanke den Reifendruck wieder auf pSoll. Der reduzierte Druck hatte durchaus für etwas Komfort gesorgt, denn das NVH-Verhalten ist danach wieder deutlich anders. Wenige Hundert Meter später fahr ich durch eins der unzähligen Schlaglöcher, woraufhin sich meine (aus Platzgründen) auf dem Kopf stehende und eben aufgefüllte Wasserflasche in weiten Teilen über meinen rechten Schuh ergießt. Hier sind "clic clac" anstelle von Drehverschlüssen sehr populär. Bis zum Reifenfüllen hat das auf-dem-Kopf-stehen quer durch Frankreich gut funktioniert.

Eine Dame mittleren Alters uriniert noch mit einem Bein auf dem Radweg stehend neben denselben. Ich drehe meinen Kopf demonstrativ zur anderen Seite, um ihr ein Mindestmaß an Privatsphäre zu gönnen. Sie ruft halb scherzhaft, halb entschuldigend: "petit pipi". Scheint bei manchen eine Vorliebe zu sein ihre Notdurft an "aufregenden" Orten zu verrichten. Ich denke dabei an die Bushaltestelle in Spanien.

Ich bin wieder auf meiner alten Strecke angekommen und freue mich über die vertrauten Orte: den Kirchturm habe ich im November fotografiert, da hab ich das gefrorene Snickers gegessen, da hab ich gezeltet und hier kam ich ins Untersteuern. Anders als im November fällt mir heut auch das durchaus berechtigte Schild "PIEDS A TERRE" auf.

Wettermäßig alles beim Alten. Zu kalt für die Jahreszeit und viel Wasser von oben. Hier scheint überall Wasser zu sein. Links und rechts von mir Kanäle, Regen von oben, aufgewirbeltes Wasser von unten, kleine Teiche in meinen Schuhen. Der Tag ist durchsetzt von ständigem Poncho an- und wieder ausziehen. Im Moment fängt's wieder an zu regnen. Ich freu mich, dass ich es trotzdem bisher geschafft hab mein Zelt tagsüber nochmal aufzuschlagen und zumindest etwas trockener zu bekommen. Bislang war zumindest abends alles weitgehend trocken. Das ist eh der beste Moment des Tages: in den Schlafsack schlüpfen und spüren wie die Füße warm werden. Der mit Abstand schwierigste Teil des Tages ist dann morgens wieder in die nasskalten, nicht mehr ganz frischen (heftige Untertreibung) Klamotten zu steigen, um sie mit meiner Körperwärme auf 36 Grad zu bringen.

 


Auf den Wiesen steht das Wasser. Die Kühe haben wieder braune Stiefel an, die fast bis zum Knie reichen. Heute schlafe ich unter einem Dach, komme was wolle. Der Regen legt nochmals zu. Ich finde einen Camper-Parkplatz mit Hütte. Ich parke und wasche meine bereits nassen Haare instantan am Waschbecken. Die haben abgesehen vom Regen am Atlantik zum letzten Mal Wasser gesehen. Dann sitze ich in meinen nassen Klamotten bibbernd auf einer Holztisch-Bank-Kombo unterm Dach, umgeben von zwei Wänden. Mein Körper bringt das vor mir stehende Essen zum Schwingen. Ich hab schon lang nicht mehr so gefroren. Hier will ich später das Zelt aufschlagen, auch wenn der Bereich von der Straße und diversen Häusern einsehbar ist. Ich bin gespannt...
Morgen werde ich Freiburg erreichen. Von dort aus ist es noch eine große oder eher zwei kürzere Etappen. Wäre nicht das Schlechteste, wenn ich davor noch meine Schaltung repariert bekäme.

Kommentare

  1. oh man nonstop im Regen klingt echt verdammt anstrengend (mental vor allem).
    Einfach brutal wieviel Kilometer du trotzdem jeden Tag machst...

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