Pferdefutter II

Weiter nach Nordosten. Das Wetter ist so halbprickelnd. Es regnet mal ein bisschen, mal stark. Da hab ich auf dem Hinweg im November wirklich mehr Glück gehabt. Zwei Stunden sitze ich lesend in der Bushaltestelle, um das Gröbste vorüberziehen zu lassen. 



Der Blick auf den Regenradar gibt das go für die Weiterfahrt. Kurz drauf regnet es schon wieder. Ich fahre weiter.
Da für die Nacht noch mehr Regen plus Gewitter vorhergesagt ist, suche ich nach einer überdachten Schlafoption. Ich nehme mir viel Zeit, ziehe den Feierabend immer weiter raus, finde aber nichts. Schlussendlich schlag ich das Zelt im Wald auf und spanne meine Plane darüber auf.

 


Eine Stunde nachdem ich es mir im Zelt bequem gemacht hab, kommt der große Schwall vom Himmel. Der Wind reißt an den Baumwipfeln. Neben Unmengen Wasser kommen auch Blätter und kleinere Äste runter. Schon vor zehn lege ich mich aufs Ohr.

Die Sonne scheint schüchtern zwischen den Bäumen durch. Trotz des Unwetters habe ich fantastisch geschlafen. Ich frühstücke im Zelt und packe anschließend das nasse Zeug zusammen. Die Schnecken haben sich auch ein trockenes Plätzchen gesucht: auf der Außenseite des Innenzelts, auf der Innenseite des Außenzelts, eine fette, rote Nacktschnecke in einem meiner Schuhe, die zwischen Innen- und Außenzelt standen.

Keine sieben Minuten nach dem Losfahren, entdecke ich das am Wegesrand!:


D'oh!


Ich fahr durch grüne, hügelige Landschaften mal über schnurgerade Radwege, mal auf kurvigen Landstraßen. Am Vormittag mach ich wieder eine Trocknungspause und packe mein Zeug nochmal aus.
Die Qualität des Straßenbelags ist vorwiegend durchwachsen. Ich rüttle mich wieder voran. Obwohl ich heut nur maximal gute 300 m erklimme, mach ich summarisch doch ganz schön Höhe.

Einkauf am Nachmittag. Frische Baguettes und Brie 🤗 Die Sonne setzt sich gegenüber den Wolken durch. Auf einer Bank am Flußufer mache ich ein Picknick und verteile meine Klamotten in der Sonne. Die Socken wende ich regelmäßig wie Würstchen, oder besser: Grillkäse auf dem Grill 😅
Bislang habe ich ca. 100 Nächte in meinem Zelt verbracht. Ich bin wirklich erstaunt und zufrieden, wie es das klaglos mitmacht. Hätte ich jetzt nicht unbedingt erwartet. Ich hab noch nie ein Zelt auch nur annähernd so häufig benutzt. Das gibt mir die Gelegenheit wie Heinz Helfgen ("Ich radle um die Welt") unseriöse Schleichwerbung zu machen: "Ich muss der Firma [Decathlon] in [Villeneuve-d’Ascq] mein Kompliment machen - das Zelt hält!"

Später füttere ich ein paar Pferde, als ein Wagen neben mir hält: der Bruder der Pferdeinhaberin. Wir unterhalten uns etwas. Er ist Engländer und lebt hier. Ich meine: "nice place to live" und er antwortet sichtlich zufrieden: "yeah, isn't it?!" Später fällt mir auf, dass es hier mehrere GB Kennzeichen gibt bzw. McSoundso an manchen Toren zu lesen ist.

Meine Beine werden schwer. Ich lege nochmal eine Pause ein. Über mir kreisen zwei Propellermaschinen, die ich schon einige Zeit vorher im Ohr hatte, aber nicht sehen konnte. Jetzt hab ich sie entdeckt. Sieht aus, wie zwei Jungs, die auf ihren Fahrrädern rumtoben, nur eben in der Luft in Flugzeugen. Die scheinen definitiv nicht von A nach B kommen zu wollen. Ein wildes hin und her, Sturzflug, ... Ich glaube, jeder, der den Krieg miterlebt hat, wird bei der Geräuschkulisse das kalte Schaudern bekommen.

Das Wetter heute hat sich erfreulich gut gehalten, aber heute Nacht schiebt's nochmal ein mächtiges Regenband von Westen übers Land. Wie gestern suche ich wieder Dächer. Ein paar Rohbauten fallen mir ins Auge, sind aber meist sehr präsent im Dorfkern gelegen. Dann fahr ich an einem mächtigen Dach auf Stelzen vorbei, daneben ein Bauernhof. Ein Mädchen spielt in der Einfahrt und ein Hund kommt bereits auf mich zugelaufen. Ich frage sie, ob das ein netter Hund wäre. Sie bejaht. Dann frage ich sie, ob sie weiß, wem diese Scheune gehört. "C'est à nous". Ich frage, ob ich mit ihrem Vater sprechen kann. Sie läuft los und holt ihn.
Klassisch im grünen Overall und Gummistiefeln kommt er auf mich zu. Ich stelle mich vor und frage, ob es ok wäre dort mein Zelt aufzustellen. Er überlegt ca. eine Viertelsekunde bevor er "oui" sagt. Aus der Erfahrung vom letzten Bauern, den ich das gleiche gefragt hab ("Tag vier - was für ein Tag") biete ich an ihm meinen Ausweis zu zeigen. Er winkt ab und betont keinen Müll finden zu wollen. Ich versichere ihm, dass ich nichts dergleichen vorhabe, lediglich schlafe und mich morgen früh unaufgefordert entfernen werde.

Etwas eng, aber es geht ☺️


Kommentare

  1. Der Bauer hat doch darum gebeten, keinen Müll zu hinterlassen. Und jetzt liegen da überall deine Autoreifen rum:-)
    und ja es ist wie Pferdefutter I
    :-))

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