Höhencamping

Am Campingplatz wasche ich meine Klamotten und verbringe ein paar gemütliche Tage am Meer. Der Sand fegt über den Strand und sorgt so zum einen für ein ständiges Glitzern in der Sonne, als auch für ein sanftes Knöchelpeeling. Glücklicherweise hat man einige 40 cm hohe Natursteinmauern als Windschutz gebaut. Ohne diese wäre der Strandaufenthalt wirklich keine Option. Ich hab das Gefühl, dass wenn ich das Handtuch loslasse, es einen Augenblick später am Horizont verschwindet und für immer verloren ist. Ich tauche in die Wellen und anschließend wieder in den Schutz meines "Bunkers". Der Blick über den kindle-Rand verrät, dass von den wenigen Menschen, die da sind, ein nicht unerheblicher Teil der FKK frönt. Ich ziehe mit bzw. blank.

Nach zwei + zwei Nächten am Campingplatz fahr ich weiter nach Süden durch Los Cristianos an die Westküste der Insel. Vorbei an leuchtender Bougainvillea, durch in Folie "eingeschlagene" Bananenplantagen und durch Hotelbunkeranlagen mit dem obligatorischen und sehr klischeehaften Schnorchel-Taucherbrillen-Kiosk am Straßenrand. (witzigerweise ist das französische Wort für Schnorchel "tuba" - ich liebe dieses Bildhafte an der Sprache)
Alles in allem wieder reichlich bergig, ruckzuck ist wieder ein Kilometer Höhe gemacht. Ich hab fortwährend Vengaboys' "up & down" im Kopf. https://m.youtube.com/watch?v=hlv672jqbtE
Die 90er...zu hart. Wenn man sich heute die Videos von "damals" reintut, stellt sich die Frage: war das wirklich unser Ernst?! 😂
 

In Adeje finde ich einen Laden, der es mir nach Beitritt in den zugehörigen Club ermöglicht Kräuter einzukaufen. Ein Blick in unsere Zukunft, liebe Frau Ludwig! Oh, das riecht gut, das nehm ich und hiervon nehm ich was und das find ich auch ansprechend 🤗
Ich suche nach einem Platz zum Schlafen. Die vielen Bananenplantagen plus die angrenzenden Bereiche würden zwar viel Fläche hergeben, die Besitzer halten die Pforten jedoch verschlossen. Einen habe ich gefragt, ob ich auf dem Parkplatz oder irgendwo in seinem hektarriesigen Reich mein Zelt aufstellen könnte. Er verneint, deutet auf einen gekiesten Platz vor sich, auf dem ich ca. 40 meiner Zelte aufstellen könnte und meint sinngemäß: man sehe ja, dass kein Platz ist, weil alles voller Bananen. Ich denk mir meinen Teil, fahr weiter und finde einen künstlich angelegte Terrassenhang mit Blick auf eine entfernte Autobahnbrücke. Ich warte bis zum Einbruch der Dunkelheit und schlage dann mein Zelt auf.

Am nächsten Tag geht es wieder bergauf. Teils grotesk. Hat hier jeder ein Kettenfahrzeug in der Garage stehen?!


Den hab ich auch wieder slalomschiebend "bezwungen" 🙈

Ich steure einen der gratis Campingplätze auf knapp 1600 m an. Man muss sich im Netz anmelden und kann dann dort bis zu einer Woche bleiben. Eine Nacht reicht erstmal. Nach meiner Ankunft auf dem verwaisten Picknick-Platz, der zum Camping gehört, treff ich auf einen Ranger. Er zeigt auf meine aufgespannte Wäscheleine und sagt "impossible". Er weist auf das Vorhandensein von Toiletten hin, was auch den Schildern zu entnehmen war. Der nette, aber auffallend regelbewusste Herr will tatsächlich meine Reservierung sehen. Da ich kein Netz habe, zeige ich ihm den Screenshot meiner Bestätigungsnummer. Er nimmt dennoch sicherheitshalber meine Personalien auf. Seine Temperaturschätzung für die Nacht deckt sich mit meiner: 0-5 Grad.
Meine im Quellwasser gewaschenen Klamotten sind mittlerweile trocken, ich fahre ein Stück weiter in den Pinienwald und schlage mein Zelt auf. Ein paar Radfahrer kommen mir entgegen. Das sollen die letzten Menschen gewesen sein, die ich für die nächsten 20 Stunden zu sehen bekomme. Hier ist einfach niemand.

Der Platz ist riesig, hier könnten ganze Mannschaften campen. Alles, was es zu hören gibt, ist ab und zu das Rauschen des Windes oben in den Piniennadeln oder hier und da mal ein Vogel. Der Wald ist extrem trocken. Wenn ich ein Stöckchen auf einen Stein fallen lasse, klingt das wie ein Xylophon 😅 Um mir den Sonnenuntergang anzusehen packe ich meinen Rucksack und laufe ein Stück den Weg runter bis zu einem Hügel, von dem aus ich La Gomera sehen kann und mach's mir gemütlich.

Sternenhimmel vorhanden, ja, aber der von mir schlecht getimte Ausflug wird durch den Vollmond überstrahlt. Das kann nur bedeuten, dass ich irgendwann nochmal hier rauf muss ☺️ Der Mond ist so hell, dass ich versucht bin meine Sonnenbrille hervorzukramen. 

In der Nacht höre ich ein Auto und sehe die Lichtkegel der Scheinwerfer in der Ferne zwischen den Bäumen. Mein erster Gedanke ging an den "eager" Ranger, der nochmal nach dem Rechten sehen will. Tatsächlich scheint es ein weiterer Campinggast zu sein, dessen Hund mich aus der Ferne wahrzunehmen scheint und nicht mehr aufhört zu bellen. Die herrliche Stille weicht nervigem Getöse (selbstverständlich unternimmt der Halter dauerhaft nichts dagegen). Irgendwann schlafe ich ein.

Am nächsten Morgen lerne ich den Hundehalter auf meinem Weg zurück zur Straße kennen. Frank, ein junger Spanier, unterhält sich gerade mit dem Ranger und lädt mich dann auf einen Kaffee ein. Sein Hund scheint sich zu freuen jetzt ein Gesicht zu dem Geruch zu bekommen und springt diverse Male an mir hoch. Frank ist mit einem alten Transit hier und war zuvor auch schon mit dem Rad unterwegs. Er beschreibt die Vorzüge eines Autos, gerade im Hinblick auf seinen Begleiter. Ich schlage vor seinen Hund alternativ zum Schlitten- bzw. Fahrradhund auszubilden...und freue mich den Mut gehabt zu haben diesen schlechten Witz tatsächlich auszusprechen 😂
Das sich einstellende Kopfkino gefällt mir.

Die Sonne steigt zügig hoch. In meinem Ansinnen nicht gegrillt zu werden bedanke ich mich für den Kaffee und fahr weiter Richtung Teide. Der Hund folgt mir noch ein Stückchen. Hui, ich spüre noch die gestrige Strecke in den Beinen und denke an die weiteren 30 km, die noch vor mir liegen. Ich überwinde die Waldgrenze, die Landschaft wird "lunar", wie es Frank treffend beschrieben hatte. Ein Rennradfahrer überholt mich, ruft "big man!" und denkt vermutlich "Alter, der hat mit seinem Gepäck auch nicht mehr alle Latten am Zaun!" 😅
Eine brennende Mischung aus Schweiß und Sonnencreme läuft mir in die Augen. Ich erreiche den Nationalpark. Es wird etwas flacher, um danach erneut anzusteigen. Es wird wieder nippy, ich ziehe meine Jacke an. Etwas oberhalb liegt bereits Schnee. Den Reiz dieser Landschaft kann man offensichtlich besser erwandern als erfahren.


Ich treffe auf einige Wanderer aus verschiedenen Ländern, auch einen geparkten Camper mit M-Kennzeichen sehe ich. Der könnte mich theoretisch mit Heim nehmen ☺️
Auf über 2300 m, kurz nach der Talstation der Seilbahn mache ich Pause und dann kehrt. Jetzt kommt die längste Abfahrt meines Lebens: 55 km zurück ans Meer.
Wahnsinn, erst im Tal merke ich, dass es heute sogar für kanarische Verhältnisse sehr warm ist: 26 Grad. Mein Trikot ist von weißer Salzkruste bedeckt. Ich gehe einkaufen, esse und mach mich auf die Suche nach einem Schlafplatz. Am unebenen Wegesrand zwischen Bananenplantage und Grundstücksmauer finde ich etwas. Ich warte wieder bis es dunkel wird. Das ist vermutlich der bisher unattraktivste Schlafplatz. Ich liege in mehreren Ebenen angewinkelt, um mich annähernd bequem zu betten und schlafe entsprechend schlecht.

Vor Sonnenaufgang weckt mich ein Auto. Ich dachte erst an die Polizei, weil es offiziell ein Wanderweg und eigentlich keine Straße ist. Es stellt sich aber heraus, dass es Arbeiter sind, die dort abgesetzt wurden. Ich fahre wieder etwas ins Tal und frühstücke auf einer Parkbank.

Den Vormittag verbringe ich im Schatten an der Strandpromenade. Dann bin ich in einer Zwickmühle: in der Gegend will ich nicht nochmal eine Nacht bleiben, radfahren will ich mit meinen geschundenen Knochen aber auch nicht. Der starke Wunsch nach einer Dusche und gewaschener Kleidung zieht mich dann aber doch wieder zurück auf den Campingplatz. Es gibt nicht so furchtbar viele (geöffnete) auf der Insel. 44 km?! Ich fahre los. Schon nach dem ersten bin ich eigentlich bedient. Die Muskeln in den Beinen rufen "nicht kontrahieren!", die Bänder schreien "nicht ziehen!". Ich versuche gemütlich zu fahren, wundere mich wieder wieviel Höhe auf wirklich jeder Strecke zu machen ist und komme am späten Nachmittag unter Gegenwind, der mich mit halsbrecherischen 14 km/h den Hang runterrollen lässt, am Campingplatz an.

Kommentare

  1. Hey Patrick, hört sich wieder spannend an. Vor allem Deine Suche nach Schlafplätzen. Schade, dass es nicht in allen europäischen Ländern ein Jedermannsrecht wie in Schweden gibt. Dann könntest Du Dir viele Diskussionen ersparen.
    Ich habe die Plantagen in Grand Canaria immer als Schandfleck in der Landschaft wahrgenommen. Eine Monokultur vor dem Herrn. Zudem setzten die Plantagen wahrscheinlich auch gerne Pestizide ein, daher würde ich auf einen Schlafplatz im direkten Umfeld verzichten :)

    Viele Grüße Tobias

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  2. Hi Patrick, durch Zufall habe ich mal wieder in deinen Blog geschaut und festgestellt dass Du wieder unterwegs bist und mittlerweile die Kanaren unsicher machst. 😉
    Deine Berichte sind wieder sehr spannend. Respekt vor deinen Bergtouren. Ich kann mich noch gut an die herrlichen Straßen rund um den Teile erinnern. Weiter viel Glück. LG Brandy

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