Offroad Day

Ich wache auf, weil es im Zelt zu warm wird. Das hatte ich seit Teneriffa nicht mehr. Ich habe massiv Hunger, ich glaub, mein Körper brennt noch nach. Meine Vorräte sind komplett aufgebraucht bis auf eine kleine Dose Kichererbsen. Ich inhaliere sie. Ich hoffe ja immer noch auf eine Boulangerie im Dorf.

Mein Fahrrad ist gepackt ich schiebe es zurück auf die Straße. Nach zwei Metern Stelle ich fest, dass ich hinten einen Platten habe. Hat das umfahren der zerbrochenen Bierflaschen gestern Abend wohl nicht geklappt 🙄 Dank und Grüße an den Redneck, der sie aus seinem Pickup-Truck auf die Straße geworfen hat. Also Fahrrad wieder entpacken und Schlauch flicken. Eine halbe Stunde später geht es nun wirklich los - mit schwarzen Händen. Auf einem Fahrrad mit gebrochener Speiche am Hinterrad, einer ausgehängten Bremse, fehlendem Bowdenzug für die Schaltkränze, nur noch wenig schaltbaren Gängen auf den Ritzeln und unzureichendem Reifendruck (ich bekomme mit meiner Pumpe nicht mal annähernd die fünf bar auf den Schlauch). Ich wünsche mir, dass ich heute wenigstens auf guten Straßen und optimalerweise mit Rückenwind fahren darf. 

Ich frage einen Herren im Dorf, ob ich hier irgendwo Baguettes bekomme. Er meint ja, im Nachbardorf zwei Kilometer von hier. Leider meint er das Nachbardorf, das ich gestern schon durchfahren habe. Ich muss also ohne Baguettes auskommen. Nach bloß gut schon sieben Kilometern finde ich einen Supermarkt. Das ist in der Gegend keine Selbstverständlichkeit. Die Dose Kichererbsen ist schon längst in Vergessenheit geraten. Ich kaufe reichlich Nahrung und esse direkt auf dem Parkplatz im Schatten. Unter anderem die ersten von heute acht Bechern Schokopudding 😅 So jetzt aber: frisch betankt mit Kohlenhydraten geht es jetzt dieses Mal aber wirklich los.
Die Sonne brennt, die Straßen sind schlecht. Schon nach wenigen Kilometern werde ich auf den ersten Kiesweg geschickt. Der geht aber noch. Dann wieder Asphalt. Ich rüttle meist über renovierungsbedürftige Straßen. Dass ich fast keine Rennradfahrer sehe, passt ins Bild. Irgendwann liegt ein Ausbaustück der Straße von mir. Ich freue mich. Glatte Oberfläche, Seitenstreifen. Leider steht davor auch ein Schild mit einem rot eingekreisten Fahrrad. Ich darf also auf dem parallel verlaufenden Kiesweg weiterfahren. Heute haben wir Ostwind. Ich spüre den bei konstanter Geschwindigkeit variablen Druck auf der Brust. Ich werde immer wieder auf Feldwege geschickt. Oder auf Straßen, die asphaltiert beginnen und dann irgendwann auf Kies wechseln. Ich komme nur sehr mühsam voran, umfahre unzählige Schlaglöcher oder vom Regen ausgewaschene Rinnen. An mehreren Stellen liegt der Kies nicht verdichtet, sondern einfach aufgeschüttet da. Mein Vorderrad taucht ein, ich mache mich fast lang. Offroad day...
Es ist fast 17 Uhr, als ich zum ersten Mal auf einer ganz normal einwandfreien Straße fahre. Die Freude währt nicht lange, denn nach knapp einem Kilometer kommt ein Schild, dem zu entnehmen ist, dass die Straße gesperrt ist. Die Alternative ist wieder ein Kiesweg. Ich mache auf Anarchie und umfahre die Sperrung. Gespannt was mich erwartet und ob ich gleich wieder umdrehen muss, fahre ich die Straße entlang. Irgendwann taucht ein Raupenfahrzeug auf, das am rechten Straßenrand eine Furche zieht, worin mehrere Kabel verlegt werden. Das ist der Grund für die Sperrung. Sehr gut, ich überhole.


Später geht es parallel zu einer vierspurigen Schnellstraße. Die wäre perfekt für mich, ich darf sie aber wieder nicht befahren. Die Parallelstraße verdient ihren Namen nur manchmal. Ein Stück von 1,3 Kilometern auf der Schnellstraße muss ich mit 3,9 km umfahren, selbstverständlich nur teilweise auf Asphalt. Das ist ein Sinnbild dafür wie kaputt unsere Welt ist: ich habe keine vier Räder keine Federn und Dämpfer und keinen elektrischen oder verbrennungsmotorischen Antrieb. Ich habe keine 100 kW unter der Haube, vielleicht 1/1000 davon. Und WEIL ich keinen Antrieb habe, der mich auf (ich glaube es sind) mindestens 60 km/h beschleunigen kann, muss ich den dreifachen Weg fahren 🙄 Macht sachlich betrachtet total Sinn, oder?
Trotz des überaus fantastischen Wetters ist die Stimmung heute so mittel. Am Abend frage ich einen Herren, der vor seinem Haus sitzt, nach Wasser. Später finde ich aber doch noch mal einen Supermarkt und gehe nochmals einkaufen. Kurz drauf biege ich rechts ab und baue mein Zelt in einer Wiese oberhalb der Straße auf. Die Prinzenrolle ist halb leer. Ich esse ein Baguette mit Camembert und zwei Naturjoghurts. Danach den vierten bis achten Schokopudding. Dann die 300g Packung Haribo. Dann noch ein Baguette mit einer Avocado. Im Anschluss ein Laib Früchtebrot. So, gegessen wäre 😅 Zeit zu schlafen.



Kommentare

  1. Dass Auto- und Radfahrer nicht gleich behandelt werden, kommt mir bekannt vor. Radfahrer können gerne 3 mal so lange an der roten Ampel warten, weil die fahren ja auch langsamer. Total logisch.
    Ich drücke dir die Daumen, dass das Fahrrad noch durchhält bis Deutschland! LG

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  2. Danke, Stefan. Ich fühle mich verstanden. Laserstammtisch?

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