Zurück in Portugal
Die zweite Nacht am selben Fleck (San Andrés) hätte sehr friedlich werden können, wenn da nicht ein Mensch sein Car-Hifi auf dem Parkplatz getestet hätte. Vielleicht 50 m Luftlinie von meinem Zelt. Es war stockdunkel als es losging, ich schätze im Bereich vier Uhr. Kurz vor Sonnenaufgang ist er dann weggefahren. Dazwischen lag ich wach und war gezwungen grausiger Musik zu lauschen. Ich hab eh das Gefühl hier gibt es genau eine Musikrichtung! Naja, zumindest hört man gefühlt immer das selbe aus vorbei fahrenden Autos. Ich nenne es C-Pop 😅 So auch hier. Das war so abartig laut, dass ich erst dachte, eine offizielle Strandparty sei im Gange. Entsprechend gerädert bin ich in den Tag gestartet. Letzter Strandtag. Böiger Wind nach einem mir unbekannten Gesetz der Physik minütlich wechselnd von allen Seiten. Handvoll Sand ins linke Ohr - paff, Handvoll Sand in rechte Ohr - puff, Handvoll Sand ins Gesicht - piff! Herrlich entspannend! Der Versuch Windschatten zu suchen ist zum Scheitern verurteilt. Und kalt ist der Wind! Erst liege ich zur Mittagszeit angezogen am Strand, später habe ich richtig Lust mir eine Wollmütze anzuziehen.
Am Nachmittag fahr ich nach Santa Cruz zum Hafen. Die Fähre, die eigentlich um 1730 starten sollte, startet wegen eines Sturms 4,5 Stunden später. Am Hafen lerne ich Alex, einen Serben und seine Hündin Kali kennen. Wir kommen ins Gespräch. Während ich unterbewusst seinen Urlaubsbericht erwarte, sorgt er mit seiner Geschichte für einen Stimmungswechsel. Er lebt in Valencia, die Hündin hatte er erst kürzlich bei seiner auf Teneriffa lebenden Ex abgegeben, weil er selbst auf Reisen gehen wollte. Jetzt ist er gekommen, um die Hündin wieder abzuholen, weil seine Ex eine von den Personen war, die während des einige Tage zurück liegenden Sturms ertrunken ist.
Ok, das kam sehr unerwartet. Mir bleibt der Mund offen stehen. In meiner Hilflosigkeit versuche ich ihn mit ein paar Fahrradanekdoten auf andere Gedanken zu bringen. Bis die Fähre endlich kommt haben wir es dann aber geschafft ein den Umständen entsprechend gutes Gespräch zu führen.
Das Be- und Entladen der Fähre läuft chaotisch ab. Ein paar Autos verlassen die Fähre, kurze Pause. Dann starten die an Land wartenden Autos Richtung Fähre. Weitere Fahrzeuge verlassen die Fähre. Ein LKW überholt die an Land wartenden Autos auf der Gegenspur. Das entgegen kommende Auto muss mehrere 100 m zurück setzen. Auf dem Kai kollidiert um ein Haar ein Kleinstwagen mit einer rangierenden Zugmaschine. Bisher durfte ich als Radfahrer immer als erstes oder zumindest früh aufs Schiff (womöglich hab ich das Chaos deswegen noch nie erlebt). Heute starte ich zum Schluss zusammen mit den Fußgängern. Die Dame, die uns eskortiert ist ratlos, wo sie mich mit meinem Rad hinschicken soll.
Irgendwann sitz ich dann aber auf meinem Platz. Weil ich hundemüde bin, geh ich schon bald aufs Oberdeck und bau mir mein "Lager" auf einer Sonnenliege unter einem Vordach.
Nächster Tag. Die Fahrt ist unspektakulär. Ich lese, lade meine Akkus und sitze Musik hörend auf dem Deck. Im Fähren-TV seh ich den spanischen Wetterbericht in Dauerschleife, der von bis 200 l/m2 Regen spricht. Ich hoffe, das hat sich erledigt bis wir ankommen.
Der nächste Morgen, wieder an Deck. Das Schiffshorn weckt mich. Es ist bereits Land in Sicht. Ich hatte angenommen, dass wir wegen des späten Starts auch entsprechend später ankommen werden. Tatsächlich sind wir aber pünktlich. Da wird der Kapitän den Hahn aufgerissen und auf halsbrecherische 50 km/h beschleunigt haben 😅
Um 0730 betrete ich das Festland. Huelva am Morgen. 14 Grad, Nebel. Ich setze mich in Richtung Westen in Bewegung. Möchte an der Küste entlang nach Portugal fahren. Dazu müsste ich in Huelva eine Brücke passieren, die aber - wie sich rausstellt - mit dem Fahrrad nicht befahren werden darf. Die parallel verlaufende kleinere Brücke ist gesperrt. Ok, also mal schauen, wo ich alternativ fahren kann. Meine App berechnet eine nördliche Umfahrung von 28 km. Fair! Ich begrabe meinen Plan an der Küste entlang zu fahren blitzartig und entschließe mich nach der Umfahrung den direkten Weg nach Portugal zu nehmen.
Die Umfahrung führt mich von einer nebeligen Landstraße auf einen gekiesten Feldweg. Südspanien-typisch ist der Feldweg auch gleichzeitig eine Mülldeponie.
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Die Idylle Südspaniens 😢 |
Nach einigen hundert Metern wechselt der Untergrund von Kies auf Lehm. Da vom Regen alles aufgeweicht ist, bleibe ich instantan stecken, ähnlich wie damals in Frankreich - nur noch intensiver. Beide Räder drehen sich weder vorwärts noch rückwärts. Ich kann sie kaum mit der Hand drehen. Meine Schuhe wiegen jeweils mehrere Kilogramm. Unter gar keinen Umständen komme ich hier weiter. Ich drehe um. Das Fahrrad schiebe ich wie einen Schlitten durchs Grün. Jetzt kommt mir die Mülldeponie doch gelegen, denn hier finde ich "Werkzeug", um die klebrigen Lehmklumpen vom Rad und von meinen Schuhen zu kratzen. Klappt so mittel.
Zurück auf der Straße muss ich nochmal anhalten, der Rollwiderstand wie auch die resultierende Geräuschkulisse sind unfassbar. Mit dem Schraubendreher kratze ich die Räder und die Bremsen frei so gut es geht. Eine am Straßenrad gefundene Folie benutze ich zwischen Rad und Schutzblech als "Zahnseide". Weiter geht's.
Schlechter Straßenbelag, nur moderate Steigungen, Regen setzt ein. Ich mache eine Pause unter einem Baum. Seit langer Zeit kauere ich mal wieder mit Gänsehaut im Straßengraben. Ich hab es nicht vermisst! 🙂
Aber immerhin blieb mir der abartige Regen erspart. Dass hier kürzlich was los war ist nicht zu übesehen! Das Wasser steht auf den Feldern, Straßenarbeiter schaufeln den Schlamm von der Straße, Äste sind um die Pfosten der Leitplanken gewickelt. Es klart auf, ich fahre weiter Richtung Grenzstadt Ayamonte, wo ich mit der Fähre über den Fluss muss.
Ich verpasse die Fähre so knapp, dass ich mir kurz überlege, ob ich Anlauf nehmen soll, um sie knight-rider-mäßig doch noch zu erreichen 🤣 Die nächste fährt aber schon in 45 min, eine willkommene Gelegenheit meine Einkäufe zu verspeisen. Mittlerweile scheint auch die Sonne - und wärmt auf eine angenehme Art.
In Portugal angkommen fahr ich nun tatsächlich am Strand entlang, ein kleines Stück noch bevor ich mich entschließe baden zu gehen und mich anschließend nach einem Schlafplatz umsehe. In Strandnähe breite ich meine Plane in einem Waldstück aus. Zeit zu essen. Drei riesige Zecken spazieren über die Plane bzw. auf mir. Stimmt, da war ja was. Wenn es im Wald nur eine Zecke gäbe, sie würde mich finden 🙄
Der Wetterbericht sagt, dass am frühen Abend Regen einsetzen soll, der bis übermorgen anhält. Bis jetzt (22 Uhr) ist es allerdings noch trocken 🙏
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