Auf den Spuren meines Vaters

Die Morgensonne weckt mich. Mein Zelt steht strategisch schlecht. Hatte nicht bedacht, dass ich zur Abwechslung mal nicht von abertausenden Bäumen umgeben bin, die sie direkte Sonnenexposition erfolgreich vereiteln.

Frühstück. Ich fahre zum Rathaus. Der Haupteingang ist geöffnet, die Glastür dahinter abgeschlossen. Eine Dame gibt mir (vermutlich) durch die Scheibe zu verstehen, dass sie geschlossen haben. Vielleicht weil ich mit meinen wilden Gesten und Verrenkungen ganz offensichtlich nicht aus der Stadt bin öffnet sie die Tür und bittet mich kurz zu warten. Ich folge ihrer Bitte. Es tritt ein Mann vor die Tür, der etwas englisch spricht. Ich erzähle ihm warum ich hier bin. Er beginnt mit oh und ah und wie lange sind sie noch hier, weil... Er führt mich zu einer Kollegin, vermutlich Archivarin, die in seine Richtung ab- und mich spontan hereinwinkt. Sie spricht etwas deutsch. Ich solle mich ausweisen und Namen und Geburtsdatum meines Vaters aufschreiben. Sie holt dann ein dickes Buch im A3 Format aus dem Archiv und fängt an zu Blättern. Alles voller handschriftlicher Einträge über die Kinder Stadt. Sie meint, sie wisse nicht in welchem der Bücher sie suchen solle und bietet an, dass ich nochmal in einer Stunde wiederkomme. Sie gibt mir ihre Durchwahl für das Telefon zwischen Haupteingang und verschlossener Glastür. Ich bedanke mich und steige wieder aufs Rad. Einkaufen, schnell Schatten suchen, nochmal gemütlich frühstücken. Die Sonne brennt schon am Vormittag.
Nach einer guten Stunde bin ich zurück. Den Hörer in der Hand, seh ich sie schon auf die Glastür zulaufen. Sie hat die Kopie einer standesamtlichen Eintragung in der Hand. Tatsächlich: sie hat ihn gefunden. Meine Oma gebar einen "Buben" im Krankenhaus wenige hundert Meter von hier. Diese einfache Kopie ist für mich von großem emotionalen Wert. Sie bittet mich ein Formular auszufüllen und eine Gebühr von 15 Kronen zu entrichten. In großer Dankbarkeit (auch für die herrlich unbürokratische Abwicklung) gebe ich ihr 5€.


Im Schatten der Kirche versuche ich die Schrift der Urkunde zu entziffern. Schwierig. Gut, dass ich Namen usw. kenne, sodass ich "ableiten" kann. Meine Oma war wohnhaft "bei ihrem Ehemann". Klingt wie "zur Miete".

Weiter unten, ach Du Schreck, ist das wahr?! Meine Großeltern, die 1929 geheiratet haben wohnten am A.H. Platz 12 (ich schreibe das besser nicht aus) Das wirft neben "Wie heißt der Platz heute?" weitere Fragen auf. Die fragwürdige Adresse ist vielleicht schon einer der Gründe, warum mein Vater nie mit seinem Geburtsort hausieren ging.

Vermutlich bzw. hoffentlich gibt es die Adresse seit gut 75 Jahren in der Form nicht mehr. Das macht meine Suche allerdings nicht leichter. Ich schreibe Emails an Heimatverbände, an die nette Dame vom Rathaus und frage auf der Post, ob man die Adresse noch kenne. Bis 24h später habe ich noch keine Antwort bekommen. Zugegeben, es ist Wochenende.

Ich denke, weitere Puzzlestücke werden sich später finden. Ich bin aufgewühlt. Vielleicht ist es ganz gut wenn die Informationen Schritt für Schritt kommen.
 

Aus den zwei geplanten Nächten werden drei. Ich versuche die dritte Nacht am Freibadkiosk zu zahlen. Den 20€-Schein wollen sie nicht haben, was ich auch verstehen kann. Die Kommunikation ist auf der sprachlichen Ebene schwierig. Kein Vorwurf, aber ich unterstelle immer, dass junge Menschen, die einen großen Teil ihrer Wachzeit online sind, doch eigentlich fast nebenher englisch lernen müssten? Oder? Vielleicht verallgemeinere ich aber auch ein für mich prägendes Erlebnis zu sehr: in Kopenhagen hat sich der kleine Sohn meiner Gastgeberin ohne Anstalten in die englische Konversation eingeklinkt. Ich war zuvor nicht mal sicher, ob er schon alt genug ist, überhaupt sprechen zu können (ich übertreibe!). Auf meine Frage, wie er denn schon so früh so gut englisch sprechen könne, meinte er: "youtube" (sicher wird das seine Mutter parallel gefördert haben)
Trotzdem ist mir die Kinnlade runter gefallen.

Zurück zum Kiosk.
Ich solle morgen bezahlen, wenn der Chef wieder da ist. Da ich aber der Sonne wegen früh los will, fahr ich nochmal in die Stadt und hebe am letzten Abend dann doch noch Bargeld ab. 140 Kronen brauche ich, 1000 muss ich mindestens abheben. Plus, morgen ist Sonntag. Also gut, die restlichen Banknoten können sich zu Hause zu ihren nie-zum-Einsatz-kommenden Kollegen dazu gesellen.
Ebenso am selben Abend finde ich meine Sonnencreme, von der ich geglaubt hatte sie vergessen zu haben. Meine Arme hätten sich darüber gefreut. Im gleichen Fach liegt auch meine Wäscheleine, die ich ebenfalls für vergessen hielt. Unterwegs hatte ich zwei Leinen des Zelts zusammengeknotet - was zusammen genommen immernoch sehr kurz war 🙈
Über Karlsbad möchte ich zurück. Es scheint, dass ich mir durch die Nutzung des EuroVelos 4 zumindest einen 800+ Berg sparen kann. Wäre nicht schlecht, denn es wird Gegenwind geben.

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