Ich pack die Handschuhe aus

Ich bewege mich stückweise nach Norden.
Durch das schöne Valle del Jerte, was das Kirschenzentrum Spaniens zu sein scheint. Leider bin ich etwas zu früh dran. Es geht in die Berge. Ich versuche mich wo immer möglich auf Schnellstraßen zu bewegen. Die sind wenig befahren und haben meist einen breiten Seitenstreifen. Die Dörfchen, die ich durchfahre machen teils einen desolaten Eindruck. Wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich annehmen, ich bin in der fernen osteuropäischen Prärie.
Hier ist überall das meiste dicht. Ich sehe mehr verlassene Tanken als betriebene. Unzählige eingefallene Dächer, heruntergekommene, vermooste Häuser, zugemauerte Fenster und Türen. Ganze Siedlungen sind eingezäunt, zerfallen und werden von der Natur zurück erobert.

Einmal schlafe ich neben einem Sportplatz hinter einer hohen Mauer, die genau richtig steht, um mich vor dem Wind zu schützen, mal in einem kleinen Waldstückchen, wo ich der bisher größten, in freier Wildbahn gesehenen Schlange begegne. Die Natur ist hier wirklich eine ganz andere als in Deutschland. Ich frage mich inwieweit wir Schuld sind, dass der Unterschied so riesig ist. Hier gibt's von allem viel. Viel Grün, viele Wiesen und Felder, viele Sing- und Raubvögel. Viele Kaninchen und Störche. Auf einer Kirche habe ich neun, größtenteils belegte, Nester gesehen. Frösche, Rehe und überall der Ruf des Kuckuck. Wann habt ihr zum letzten Mal einen Kuckuck gehört?

Bis zur Küste bleibe ich auf der Höhe. Das Wetter wird schlechter. Die lange Hose trage ich schon. Einen Regenguss warte ich in einem mit Schiebetür versehenem Bushäuschen ab. Die scheinen hier gut gewappnet zu sein gegen Shietwedder. Beim Warten werde ich Zeuge, wie das gegenüber liegende Häuschen von einer vorbeifahrenden Frau als Toilette benutzt wird. Da sich in meinem Häuschen menschliche Fäkalien befinden, drängt sich mir die Frage auf, ob wir hier das Konzept Bushaltestelle nochmal diskutieren sollten.

Nächster Tag ähnlich. Lange Geraden, hier und da ein Dorf.

 





Ich packe meine Handschuhe aus. Kurz drauf kommt mein Poncho zum Einsatz. Der Wind bläst von schräg vorne und es geht stetig leicht bergauf. Meine Füße sind taub. Ich bin nass und friere. Ein Traum! ☺️
Ich versuch mich unter verschiedenen Unterführungen vor dem Regen zu schützen, aber egal wie sie orientiert sind, der Wind macht auf Bernoulli. Dann lieber Regen.
Es wird nochmal steiler, ich erreiche wieder 800 m. Der Regen nimmt zu. Jetzt brauche ich schnell ein Dach und bestenfalls ein paar Wände!

Auf einer bewaldeten Anhöhe entdecke ich rechts der Straße einen Rohbau. Hätte ein Hotel werden können oder ein sehr protziges Privatanwesen. Sehr schön, ausnahmsweise nicht eingezäunt, ich umfahre das Haus. Auf der Rückseite führt eine zugewachsene Rampe in den Keller: Tiefgarage würde ich sagen. Wird offenbar gerne als Altreifen-Deponie benutzt. Ich schrecke ein Kaninchen auf, das hier zu wohnen scheint.
Es ist zwar erst 15 Uhr, noch sechs Stunden bis Sonnenuntergang, aber hier bleibe ich. Wenig später sitze ich mit Wollsocken im Schlafsack und warte bis ich meine Zehen wieder spüre. Ich kann nicht glauben, dass es fast Mai ist und ich in Spanien bin.
Wie konnte ich so naiv sein die Kanaren freiwillig zu verlassen in der infantilen Hoffnung der iberische Spätapril wäre besser als das, was ich aus Deutschland kenne? Wir leben um zu lernen 😅

Kommentare

  1. Wir haben's dir ja gesagt. Hier schneit es und das Virus grassiert.
    Meinst du das ist immer die selbe Frau, die ins Bushaltehäusle kackt?? :-)

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    1. Wenn das tatsächlich sie war, dann war das ein respektabler Haufen 🤣

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