Das hinterletzte...

 ...Eck Europas 🤗

Los geht's zum letzten noch nicht erkundeten Eck der Insel, nach Südwesten. Ich starte erst am Nachmittag. Schon nach wenigen Minuten kullert der erste Tropfen. Es ist richtig heiß!

Es werden heut ca. 45 km sein, erste Hälfte bergauf, zweite Hälfte rollen. Das soll sich später als großer Irrtum rausstellen.
Ich fahre Slalom oder schiebe...mitunter auch Slalom. Auch um 16 Uhr brennt die Sonne noch massiv. Nach einigen Kilometern erreiche ich die Hauptstraße. Ich quere sie und schiebe weiter bergauf. Eine Anwohnerin spricht mich an "dura". Das hab ich verstanden 🤗 Ich stimme zu. Sie spricht weiter spanisch und ich stelle wieder fest, dass mich meine bisherigen Bemühungen spanisch zu lernen noch nicht sehr weit gebracht haben. Wir wechseln ins englische. Nachdem ich ihr verraten habe wo ich hin möchte, holt sie eine Karte aus dem Haus und wir diskutieren Vor- und Nachteile meiner Streckenwahl. Sie meint, es gäbe auch leichtere Routen zu meinem Ziel. Ich bin sehr skeptisch - weil ich seit Mitte Januar eigentlich nur auf absurdesten Routen unterwegs war. Das scheint ein Naturgesetz der Kanaren zu sein. Sie räumt ein, dass der Unterschied nicht sehr groß und meine Strecke sehr schön sei. Ich frage sie, ob ich am Zielort einkaufen gehen kann. Sie schaut mich verdutzt mit großen Augen an "there is nothing!".
Die Strecke ist wirklich sehr schön. Die Landschaft hat sich vom Geröll in Küstennähe, wo ich gestartet bin, in saftige Wiesen verwandelt. Die Blumen leuchten in allen Farben, ich bin fast versucht "grell" zu schreiben.

 




Bei der nächsten Gelegenheit, die leider nicht auf meinem Weg liegt, gehe ich also einkaufen, um am Ziel essen zu können. Ich hatte ursprünglich geplant erst die Höhenmeter und dann den Einkauf zu machen. Die Auswahl ist in dem kleinen Laden recht begrenzt, ich kaufe diverse Produkte einfach zwei Mal, plane für drei Tage ohne Zivilisation. Draußen das Rad beschweren und weiter geht's. Ich verzichte auf eine Pause, weil ich spät losgekommen bin und die Sonne um 20:30 untergeht.

Nach dem Einkauf wird's zäh. Ich fahr in die Wolken rein, es wird frisch. Eben hab ich noch getropft wie ein nasser Schwamm, jetzt krame ich die Jacke hervor. Meine Knie ziepen. Ich fahre wieder Slalom. Ich muss richtig beißen. Links und rechts von mir alte, flechtenbehangene Bäume, von denen das Wasser tropft.
Nach circa drei Stunden bergauf fahren, erreiche ich endlich den Hochpunkt. Endlich! Entspannung macht sich breit. Ich freue mich von nun an den Rest bis zum Ziel vorwiegend rollen zu können.


Pustekuchen!


Die Straße behält ihren Namen, wechselt aber den Belag - bzw. Belag ist nicht. Es geht offroad weiter. Katastrophale, ständig wechselnde "Straßen"verhältnisse, kurze waschbrettartige Wellen, Geröll, Schlaglöcher, Sand, ausgewaschene Rinnen, ... Anstatt entspannt die Straße runter zu rollen, bin ich hochkonzentriert im Kriechgang unterwegs, fahre wieder Slalom. Dieses Mal aber, um den Hindernissen und Löchern auszuweichen. Die Hoffnung, es könnte nur ein kurzes Teilstück sein, gebe ich schnell auf. Meine Bremsen liegen permanent an, ich bin mit <10 km/h unterwegs. Wenn ich stellenweise 14 km/h erreiche, fühlt sich das schon halsbrecherisch an. Jetzt bin ich froh, dass ich beim Reifendruck prüfen zuletzt nachlässig war. Dennoch muss ich manchmal fast über den Lenker absteigen, sobald der Boden spontan auf Sand wechselt und mein mit Einkäufen beschwertes Vorderrad dynamisch eintaucht. Um die Fahrt dann fortzusetzen, muss ich original bergab schieben 😅 Nach 5 km werden meine Hände vom Bremsen taub. "Ein Glück" sind es nur noch 15 km bis zum Ziel. Die Sonne steht tief und da ich mich nach SW bewege, fahr ich teils blind. Ein bisschen wie unsere Regierung in Sachen Pandemiebekämpfung 😅
Auf der Karte finde ich eine Abzweigung, die auf eine (womöglich) asphaltierte Straße führt. Die nehme ich. Es wird schnell dunkel, sodass ich mich bald entschließe mein Zelt aufzuschlagen bevor ich überhaupt nichts mehr sehe.

Was für eine herrliche Nacht im Wald. Der Wind pfeift leicht durch die Baumwipfel, zwischen denen ich die Sterne sehe. Sonst absolute Stille. Hier oben ist es auf 9 Grad runtergegangen, was ich - der sich an dekadente 19 Grad Nachtwerte gewöhnt hat - als richtig kalt empfinde.

 



Am nächsten Morgen rüttle ich weiter. Nach 90 Sekunden habe ich die asphaltierte (!) Straße erreicht. Jetzt macht sich Entspannung breit. Ich rolle wie geplant ans Meer.
Der Wald und die blühenden Wiesen werden zunehmend wieder durch Lavafels ersetzt. Weit und breit nur Steine. Ich komme am früheren Nullmeridian vorbei und dem Vulkan, in dessen Krater Michael (der von La Palma) geschlafen haben will.
Ich erreiche den Leuchtturm, von dem aus es noch ein Stückchen weiter in eine Sackgasse bis zum Strand geht. Ich gehe davon aus hier der einzige Mensch zu sein, treffe aber auf einen ganz gut belegten Parkplatz und viele lokale Camper. Richtig, es ist Samstag! An den Wochenenden wird hier gerne ein Campingausflug gemacht.
Ich gehe trotzdem nackt baden, wie ich es mir vorgenommen habe ☺️

Als die Sonne am Nachmittag wieder etwas tiefer steht, mache ich mich auf den Rückweg und mäander zurück zur asphaltierten Hauptstraße. An der entsprechenden T-Kreuzung gefällt es mir gut. Eine Wiese zwischen den Hügeln mit violetten Blumen lädt zum Bleiben ein.


 
 
Die letzten Touren haben mir wieder einiges abverlangt. Der Extremfall ist hier Standard. Ich bemerke schon teilweise, wie die Stimmung kippt, wenn ich nach der 27. Kehre sehe, dass der Gipfel noch lange nicht erreicht ist. Wenn es einen Radweg vom Meer bis an die Spitze des Mount Everest gäbe, wäre ich den "vom Equivalenz-Ding her" dieses Jahr bereits 4,5 Mal raufgefahren 😅 Ich bin an einem Punkt angelangt, wo ich sagen muss, so schön das hier auch ist, so sehr ich die Natur und das Wetter liebe, ich hab jetzt langsam genug Berge gesehen. Ich habe nach einem Vierteljahr Lust mal wieder eine ganz normale Radtour zu machen. 
Also zurück nach Teneriffa.
 


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