Hund macht Sachen

Nach zwei wunderbaren Wochen im Hostel, wo ich sehr nette Menschen kennen gelernt habe, geht es rein in die nächste Bergetappe. Der Abschied fällt mir wirklich nicht leicht. "Los Amigos" heißt das Hostel, ich habe ihnen versprochen, ich würde es empfehlen und das mach ich wirklich gern 🙂
Es geht los Richtung Masca. Dort war ich vor ca. einer Woche mit anderen Hostelgästen und habe mir bei der Gelegenheit einen Schlafplatz ausgekundschaftet.


Ich bin völlig aus der Übung und muss im Wechsel schieben und Slalom fahren. Die Sonne brennt runter, als ob es kein Morgen gäbe. Kann mir grad schlecht vorstellen was hier im August los wäre.
In einer gemauerten Bushaltestelle parke ich mein Rad und mach Pause. Ich setz mich dann doch wieder raus in die Sonne, weil's im Schatten in klammer Kleidung und auf wahrscheinlich wieder 700 m doch schnell kühl wird. Weit und breit niemand zu sehen, trotzdem kommt ein Rascheln aus dem Häuschen. Ich sehe nach und muss feststellen, dass ein Streuner ungefähr 93% von meinem Brot gefressen hat. Über den Rest uriniert er vor Schreck auf der Flucht vor mir. Sei ihm gegönnt: seine Taille erinnert mich an die einer Wespe. Das gelbe Brot lässt er aber liegen.


Oberhalb von Masca erreiche ich am frühen Abend den Aussichtspunkt bzw. meinen Schlafplatz. Ich schau mir auf unbequemen Steinen sitzend in Ruhe den Sonnenuntergang an bis alle Touristen Heim gegangen sind. Dann schlag ich auf einem Felsvorsprung zwischen zwei Mauern mein Zelt auf. Ich komm mir vor wie auf dem Bug eines Schiffs und freu mich diesen Schritt, hier zu schlafen, "gewagt" zu haben. Ich überschaue die endlose Serpentinenstraße, die morgen aufs Frühstück folgen wird. Vom ersten Wahrnehmen eines Autos bis es dann tatsächlich an mir vorbei fährt vergehen fast acht Minuten.

 


Ein fantastischer Sternenhimmel spannt sich über mir auf. Ab und zu sind die Glocken einiger Ziegen zu hören.
Später in der Nacht wird es extrem windig, sodass es mir trotz der zwei Mauern das Zelt deformiert wie nie zuvor. Ich hätte nicht gedacht, dass es so ein Gerupfe schadlos mitmacht. Teils drückt's mir die Innenwand ins Gesicht. Entsprechend sehr bescheiden schlafe ich. Der Wecker wird trotzdem vor Sonnenaufgang klingeln.

Nach gefühlten drei Stunden Schlaf gehts weiter Richtung Nordwestzipfel der Insel. Nachdem es morgens noch frisch war, fängt die Sonne kurz drauf wieder an zu stechen. Auch heute spüre ich deutlich, dass ich in den letzten zwei Wochen kaum Rad gefahren bin. Die größeren beiden Kettenblätter sind so selten im Einsatz, dass ich auf ihnen schon erste Spinnennetze entdeckt hab 😅 Die Straße ist fast unbefahren. Durch eine wunderschöne Landschaft geht es in Serpentinen rauf und runter. In Buenavista del Norte kaufe ich Proviant und lasse mir - hungrig wie ich bin - großzügig vom Käse runterschneiden. Sollten über 500 g sein, wie der Blick aufs Wiegezettelchen verrät. Ich esse auf einer Parkbank im Schatten. Eine Katze fordert lautstark ein Stück vom Käse.

Ich fahre weiter zum Leuchtturm am Nordufer. Das Meer schiebt mächtige Wellen auf die Felsen, die die Wassermassen unter einem dumpfen Grollen in die Höhe katapultieren.

 


Mittlerweile habe ich eingesehen, dass meine Tagesstrecken auf der Insel kürzer sein müssen, als die auf dem Festland. Mit dem Gedanken im Kopf steuere ich die nächste Parkbank einen Ort weiter an, esse wieder und beobachte wie gegenüber gemauert wird.
Eine Frau steigt vor mir in ein parkendes Auto, fährt dann aber nicht weg, sondern lässt die Scheibe runter: ob ich am Reisen wäre und Tipps bräuchte. Klingt wertvoll. Ob ich ne Dusche bräuchte und meine Sachen waschen will. Klingt erstrebenswert. Sie heißt Alba, wir tauschen Nummern.
Später treffen wir uns bei ihr. Sie zieht heute um und muss noch putzen. Wahnsinn, die Wohnung: 100 qm, zentraler Innenhof mit Treppe auf die Dachterrasse, wo man leicht Volleyball spielen könnte. Sie zahlt 450€! 🤯 Ich versuche mir auszumalen, wie die neue (günstigere) Wohnung aussieht, wenn sie diese verlassen will.
Gut, beim Geruch der Waschmaschine ist mir der Appetit etwas vergangen. Ich tröste mich damit, dass meine Kleidung zumindest sauberer wird. Ich starte die Maschine und dusche.
Da meine Kleidung noch in der Lauge rotiert, steh ich kurz drauf barfuß und in Badehose in ihrer Küche. Ich betrachte die Szene von außen und empfinde sie als etwas grotesk. Das Klingeln an der Tür macht es nicht unbedingt besser: eine junge Frau kommt rein und denkt meiner ansichtig laut: "ok, what's going on here!?" Ich erzähle ihr von der Wäsche. Sie heißt Sandra, Festlandspanierin, hat mal bei Stuttgart gelebt und schwätzt sogar bissle schwäbisch. Ihr Sohn trägt ein Batman-Kostüm, macht aber Karate-Moves 😂 Sie ist Wanderführerin, weswegen weitere Tipps für mich rausspringen.
Zum Schluß bekomm ich noch nahe- und tiefer gelegene Schlafplatzoptionen genannt. Ich rolle drei Kilometer ans Meer runter und schlage mein Zelt am Strand auf. In der Ferne seh ich den Leuchtturm von heute Mittag.

Am nächsten Tag besuche ich Alba nochmal, um meine Wäsche abzuholen, die sie netterweise in ihrer neuen Wohnung fertig getrocknet hat. Sie hatte nicht übertrieben: das neue Haus liegt im Grünen, bietet noch mehr Platz, eine tolle Aussicht und ein eigenes Feld direkt vor dem Haus. Ihre zwei Hunde und drei Katzen erkunden die neue Umgebung. Mit mir kommt eine ihrer Freundinnen zu Besuch, die zwei Kinder und einen weiteren Hund bei sich hat. Dieser jagt gleich mal zwei der drei Katzen durch das angrenzende Bananenfeld, woraufhin eine der Katzen erstmal untertaucht. Ich setz mich auf eine Mauer und versuche dem spanischen Gespräch Sinn zu entlocken. Es kommen zwei Nachbarjungen vorbei, dann der Partner der Freundin, die zu Besuch ist. Dann die Hausbesitzerin. Der Kinder toben, der Hund, der die Katzen gejagt hatte, wird angeleint, was ihm offenbar überhaupt nicht gefällt und Albas 15jähriger, klappriger Hund stürzt beim Trinken in seine 15x15 cm groß Wasserschale 😂 Mit so viel Action bin ich fast schon etwas überfordert, wollte ich doch eigentlich nur kurz meine Sachen holen.
Die Gäste gehen nach und nach wieder, die Jungs von nebenan bleiben. Es gibt Spaghetti. Ich hör mich nicht "nein" sagen. Die Spaghetti der Tochter werden im Teller mit der Schere klein geschnitten. Ich hätte gern mein eigenes Gesicht gesehen, als ich mir überlegt habe wieviele Wochen Hausarrest ich als Kind bekommen hätte, wenn ich mit der Schere nur in die Nähe meiner Spaghetti gekommen wäre. Reisen bildet! 😊
Unterm Strich verbringe ich den größten Teil des sehr gemütlichen Tages dort, geh im Anschluss noch einkaufen und fahre zum Schlafen wieder dorthin, wo ich heute den Tag begonnen habe.


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