Teneriffa aka Kleinabsurdistan
Ich fang original an zu schieben. Bis mir die Unterarme weh tun oder es wieder etwas flacher bzw. etwas weniger absurd steil wird.
Ich erreiche einen Wald, der aus der Ferne betrachtet etwas an den Schwarzwald erinnert.
Tatsächlich ist es ein Pinienwald, mächtige Teile! Beim Paus- und Urinieren sehe ich am Straßenrand in einer Grube neben den obligatorischen Müllbergen zwei Tauben - ohne Kopf. Einen der Köpfe erspähe ich ein Stück weiter unten. Ich versuche die dazugehörige Story zu kreieren, die den Vorgang irgendwie plausibel erklären könnte. Ich scheitere.
Weiter bergauf, jetzt immerhin im kühlen Schatten des Walds. Es riecht wieder toll und intensiv nach Pinien. Nach einem Abzweig endet die Straße an einem Parkplatz, für mich geht's offroad weiter. Bergauf, versteht sich.
Ich wechsle je nach Steigung und Bodenbeschaffenheit zwischen fahren und schieben. Bei letzterem bilden meine Körperhochachse und der Boden einen Winkel von gefühlten 45°. Ich muss sogar beim Schieben immer wieder pausieren, weil ich das Gefühl habe, dass mein Waden- oder Schienbein gleich ermüdungs-bricht.
Ich mein, Höhe machen ist ja gut und schön, mir macht das eigentlich Spaß: der Berg und ich. Aber so lange plus so intensiv...ich degradiere die bisherigen spanischen Bergetappen gedanklich zum Kindergarten.
Ich erreiche irgendwann wieder eine Straße. Wenig überraschend führt sie bergauf. Auf geschätzten 1300 m sehe ich einen Campingplatzschild an der Straße. Ich fahre ihm nach. Sternenhimmel hier oben kann bestimmt einiges! Allerdings habe ich keinen Schimmer wie kalt es auf der Höhe wird und habe auch kein Netz. Das Tor ist verschlossen, wegen des laufenden Radios scheint aber jemand da zu sein.
Ich nutze die Gelegenheit Kohlenhydrate zu tanken und warte ein bisschen. Ein Shetland Pony kommt hinter einer Hütte hervorgetrottet und läuft auf mich zu. Es fängt an die fast nicht vorhandene Wiese zwei Meter hinter dem Tor zu fressen. Ich biete ihm einen schönen Büschel Gras von meiner Seite des Tors an. Er wird verschmäht.
Ich fahre weiter. Als ich gerade wieder ablegen wollte, weil die Hangabtriebskraft wieder zugenommen hat, hält eine Art Ranger neben mir und fragt, wo ich hin will. Ich deute an ihm mein GPS zeigen zu wollen. Er parkt und kommt maskiert zu mir gelaufen. Wieder ein Hand-und-Fuß-Gespräch. Ende vom Lied: er gibt mir einen Tipp für eine etwas weniger absurde Route. Den Tipp nehme ich dankend an. Später schickt er mir noch diverse Campingtipps per WhatsApp. Auffällig guter Service, den ich nicht mal angefragt habe.
Bei über 1700 Metern kommt der rettende Abzweig ins Tal. Jetzt gehts fast anderthalb Kilometer bergab. Ich muss an meinen ersten Blogeintrag denken: hat sich wieder mal gelohnt hochzufahren 🤗
Die Kehren sind teils eng, ich muss viel bremsen und die Fuhre gehörig in die Kurven drücken. Was für ein Spaß! Kurve außen anbremsen, eng am Scheitelpunkt vorbei und am Kurvenausgang wieder weit raustragen lassen. Nichts tun heißt beschleunigen. Es ist nahezu kein Verkehr, ich nutze beide Spuren voll aus, um die Kurven so wenigstens ein bisschen zu entschärfen. Da meine neuen Bremsbeläge am Vorderrad extrem laut quietschen, kling ich vor jeder Kurve wie ein im Bahnhof einfahrender Zug und komm mit schwerem Hörsturz in einem Dorf an 😅 Neben einem Spielplatz finde ich eine Bank und eine spannungsführende Steckdose. Pause.
Jetzt geht's an die Schlafplatzsuche. Noch etwas weiter ins Tal und dann wieder rauf. Heute muss ich vielmehr wegen meiner Beine als wegen des Sonnenstands zügig etwas finden. Neben der Straße geht's fast überall steil bergab bzw. -auf ins Gelände. Ich schau in jede Seitenstraße oder auf parkplatzähnliche Flächen. Über mir kreisen Paraglider.
Es bleibt vergleichsweise flach und ich schlängel mich der vom Ranger empfohlenen Straße entlang nach Süden: TF-28. Kann ich gleich mal eine starke Empfehlung für alle Fahrradfreunde aussprechen. In den Felsen finde ich mehr und mehr künstliche, also gefräste Höhlen, meist mit einer Tür verschlossen. Bei km 38 finde ich kurz nach einem Dorf ein paar offene. Ich wähle die erstbeste und riskiere einen Blick. Dann schau ich mir die Nachbarschaft an. Nebenan ist's noch geräumiger, ich ziehe um und richte mich ein.
Die verschiedenen Gesteinsschichten sind an der Höhlenwand zu erkennen. Ich habe das Gefühl, dass die Fußspuren, die ich hier im feinen Sand hinterlasse, noch in 50 Jahren sichtbar sein werden.
Natürlich habe ich drin keinen Empfang, sodass ich zum bloggen vor die Tür muss 😅 Ab und zu fährt ein Auto vorbei, ab und zu laufen Menschen vorüber. Ansonsten ist es extrem still. Ich denke an Weihnachten und "Stille Nacht". Nur ab und zu klingt es so, als würde in der Nähe ein Felsen ein paar Meter herabrollen.
Der nächste Morgen, weiter nach Süden. Ich fahre auf dem meist perfekten Asphalt ununterbrochen Kurven, es geht mal leicht hoch, mal dezent runter.
Sehr angenehm zum Fahren. Das scheinen die extrem vielen Rennradfahrer auch so zu sehen. Es kommen 10 bis 15 auf ein Auto. Absurd, die sind überall wie die Stechmücken an einem lauen Abend am See - und fast alle grüßen freundlich.
Am Hochpunkt meiner heutigen Tour mach ich ein zweites Frühstück und fahre dann runter ans Meer. Proviant kaufen und Campingplatz bei El Médano ansteuern. Hier soll ein beliebter Kitesurfing Spot sein.
Scheint was dran zu sein. Noch gut anderthalb Kilometer. Ich frage in der Rezeption, ob ich bleiben kann. Die nette Dame fragt: "Reservation?" Ich verneine. Dann schickt sie mich mit einem Kärtchen und dem Hinweis auf WLAN rüber ins Restau, wo ich auf der Campingplatzseite meinen Aufenthalt buchen soll. Ok...warum nicht?! Ich buche zwei Nächte.
TF-28 ist notiert. Die Höhenmeter hast dem Teide zu verdanken.
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