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Heute morgen bin ich aufgebrochen, um meine Tour gen Süden fortzusetzen. Die ständige Im-Bett-Schlaferei ist mir schon etwas zu spießig geworden 😅 Kurz vor 8 sitze ich auf dem Rad. In Minute fünf bin ich gleich mal an der Gendarmerie vorbei gefahren, vor der diverse Wachmänner standen und mich angeglotzt aber nichts gesagt haben. Jetzt bin ich wirklich wach!
Wieder gehts durch verwaiste Küstenorte und am Meer entlang. Es spielt überhaupt keiner Rolle ob ich Kreisverkehre im oder gegen den Uhrzeigersinn durchfahre, weil niemand da ist, mit dem ich kollidieren könnte. Die Achilles ist noch nicht ganz in Ordnung, aber ich versuche schonend zu fahren.

 


 

Wtf?! Was für eine Art Campingplatz ist das?


Eine Menge offroad-Passagen sind heute dabei. Was komoot alles als Radweg durchgehen lässt... Meine Toleranzgrenze ist überschritten, als ich durch abgesperrtes Sumpfgebiet geführt werde. Nachdem ich mich in Wasserlöchern mehrfach haarscharf lang gemacht hab, bleibt mein Rad unvermittelt im lehmigen Boden stecken und ich muss spontan absteigen. Meinen Füßen geht es ähnlich: sie lassen sich nur unter großem Kraftaufwand, begleitet von einem schmatzenden Geräusch anheben. Es bleiben riesige Lehmklumpen daran hängen. Nach wenigen Tapsern versuche ich mich an die ursprüngliche Farbe der Schuhe zu erinnern. Mit diesen Klumpfüßen und ohne richtigen Halt versuche ich das Rad aus dem Matsch zu ziehen. Hat mich arg "die unendliche Geschichte" erinnert. Mit dem Unterschied, dass ich mein "Pferd" glücklicherweise rauszuziehen konnte.
Nachdem ich irgendwann wieder asphaltiertes Gebiet erreicht habe, wird das Rad erstmal notdürftig von der anhaftenden, braunen Masse befreit.


 

Kurz drauf komm ich wieder in einen "INTERDIT" Bereich, ich passiere ein einsames Haus und freu mich, dass mich der Anwohner nicht gleich zum Teufel jagt. Ich fahre auf einem schmalen Steg, beidseitig umgeben von Wasser. Vor mir steigen Flamingos auf. Der bereits miserable "Weg" (es ist nicht wirklich einer) wird zügig schlechter. Teils muss ich schieben oder das Rad über diverse Höhensprünge heben. Das Vorankommen ist sehr mühsam und ich falle vom Glauben ab, als sich vor mir ein weiterer Kanal auftut, der den Weg versperrt. Kurz überlege ich, ob ich KITT-mäßig drüberschanzen kann 🤣 Ich entscheide mich dagegen. Leise fluchend drehe ich um und stelle mich drauf ein erst wieder alles zurück und dann einen immensen Umweg fahren zu müssen. Am Horizont erscheint ein Mann, vermutlich der Besitzer des einsamen Hauses. Ich stell mich auf einen Einlauf ein und grüße so entspannt wie es mir in der Situation möglich ist. Er wirkt ruhig, berichtet, dass er hier wohnt und erkundigt sich wo ich hinmöchte. "Espagne". Er deutet in die Richtung aus der ich grad komme. Ich erzähl ihm von der Wasserschranke. Er macht eine wissende Geste und bittet mich ihm zu folgen. Nach ein paar Metern zeigt er mir eine völlig unscheinbare Stelle zwischen zwei Büschen. Da gehe es lang. Wir gehen gemeinsam eine Böschung runter und stehen plötzlich auf einem gekiesten Weg, der in meine Zielrichtung führt. Ich erkundige mich nochmal, ob da nicht auch wieder nach ein paar Kilometern ein Popup-Kanal komme, der mir den Weg versperrt. Er verneint, ich bedanke mich und er verabschiedet sich freundlich: "Tschüß!"

Nach den Strapazen kreisen meine Gedanken um ein Nachtquartier. Ich habe kein Wasser mehr. Bevor das Problem nicht behoben ist, brauch ich gar nicht über einen Schlafplatz nachzudenken. Also weiter auf dem holprigen  Kiesweg, zwischen Meer und Kanal, Wind von schräg vorne. Äußerst zäh! Am Ende des ca. 6 km langen Abschnitts gibt es einen öffentlichen Wasserhahn - der anders als die ganzen Strandduschen auch noch funktioniert! Ich fülle meine Flaschen, zieh eine davon weg, fülle sie gleich nochmal und mach auf den Weg in die letzte Runde.

An einer kurvigen Küstenstraße sehe ich auf der meerabgewandten Seite einen ca. 5 m langen Betonblock am Straßenrand. Ich stell mein Rad ab und lauf drum herum. Super, eine Seite ist offen! Er ist innen so hoch, dass ich gerade nicht aufrecht stehen kann. Das passt super für eine Nacht. Blick- und windgeschützt. (das einzige, was heute konstant war, war der Wind). Ich setz mich ins Gras, esse und warte bis die Dämmerung einbricht. Ab und an kommt ein Auto vorbei, weitere 50 m ins Landesinnere verläuft eine Bahnlinie, auf der hier und da ein TGV oder ein Güterzug auffällig leise vorbeizieht.
Ich schlage mein Quartier auf, häng meine Sachen auf und setze mich vors Zelt. Anders als bisher kann ich das jetzt barfuß und in Shorts tun. Morgen sollte ich die spanische Grenze erreichen.

Kommentare

  1. Wow Patrick, einfach beinhart unterwegs!
    Kann mir wirklich keine bessere Möglichkeit vorstellen, das Corporate-Life hinter sich zu lassen und einen neuen Lebensabschnitt zu befahren. Habe absoluten Respekt vor deiner Tour, besonders in solchen Zeiten. Es freut mich sehr, dass Du inzwischen nicht mehr frieren musst (hier ist es grad auch recht warm) und finde es mega, dass Du deine Reise auch für uns in diesem Blog dokumentierst.
    Ich wünsche Dir weiterhin staufreie Fahrt und bin schon wahnsinnig gespannt auf die nächsten Erlebnisse. Kette rechts!

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  2. Echt richtig stark Patrick! Ich habe den Start deiner Tour erst gar nicht mitbekommen, dafür konnte ich gestern direkt ab Tag eins lesen :) Viel Erfolg weiterhin und gutes Durchkommen!

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  3. Wahnsinn...jetzt wirds hart...das mit dem Sumpf, meine Güte...aber gut, dass man immer
    wieder Leute trifft, die einem weiterhelfen können....weiter so, viel Erfolg!!!

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  4. Also eins muss man Dir lassen. Du nimmst wohl alles mit was sich bietet inklusive Sumpfdurchquerung. 😉

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