Tag sieben
Am Morgen steht dichter Nebel über den Wiesen. Ich versuche das Zelt solange nicht zu verlassen bis es unvermeidlich wird. Es ist kalt und meine steifgefrorenen Finger sind wie Hannes Klammern nur noch zu binären Funktionen in der Lage - auf/zu. Das Rad zu packen wird zur Herausforderung.
Ich fahre los. Der Nebel bildet bald ein Wellenmuster auf den Falten meiner Kleidung.
Ich habe die kalte Nacht im Freien verbracht, weil der Wetterbericht wärmende Sonne am Morgen versprochen hatte. Die wollte ich eigentlich zum Auftauen nutzen. War wieder nichts.
Der direkte Blick ins Zentralgestirn ist leicht möglich, weil es aufgrund der Kubikmeter Wasser in der Luft kaum am Himmel zu orten ist.
Meine Achilles schmerzt, ich stelle den Sattel wieder etwas tiefer, um mehr über die Ferse zu fahren. Ich nehme das Tempo zurück.
Gegen 10 Uhr bricht der Nebel endlich auf und ich kann mich endlich etwas aufwärmen. An einem schönen Plätzchen am Flußufer mache ich Rast und hänge meine klammen Sachen auf.
Ich steige ein trockenes Flußbett hinab, um dort ein paar Zeitungen abzuwerfen 😉
Ich frühstücke ein zweites Mal, dieses Mal Brot und Nüsse. Nach über einer Stunde Pause kamen dort genau null Personen vorbei.
Weiter gehts. Der Radweg entlang der Rhone ist stellenweise nicht so gut, wie ich mir das gewünscht habe. Die zahlreichen Wellen im Asphalt bringen das Rad in ein hochfrequentes Schaukeln und mein ohnehin geschundener Hintern wird zusätzlich malträtiert. Auch eine Art von pop up Radweg. Diese Unebenheiten schlucken so viel Energie, die ich mühsam in den Vortrieb investiert habe! Mehr als 17...18 km/h sind nicht drin.
Das ist übrigens der Grund, warum der Mensch keine Räder hat. Unser Weg- und Straßennetz ist evolutionär betrachtet zu jung und in freier Wildbahn helfen Räder nicht weiter. Meiner unwissenschaftlichen Theorie zufolge müssten Menschen bei Beibehaltung des Straßennetzes in einigen Millionen Jahren Räder haben 😀
Insgesamt bin ich ständig damit beschäftigt den Boden vor mir abzuscannen. Jeder Schatten, jede Verfärbung wird in Topographie umgedeutet und der Streckenverlauf entsprechend angepasst. Jeder Welle oder Querfuge versuche ich -bei vertretbarem Aufwand- auszuweichen. Wenn ich drüber muss, versuche ich den Rahmen, in dem Moment, in dem der Schlag von unten kommt, durch einen kurzen Satz zu entlasten. Ich bin mir nämlich sicher: wenn etwas bricht, dann in einer Rinne oder Delle, die ich unkonzentriert durchfahren habe.
Die Sonne wird immer wärmer, ich hab eine Jacke schon abgelegt, die zweite ist bis zum Bauchnabel offen. Fantastisch! Die Gegend mutet mehr und mehr mediterran an. Palmen in den Gärten, die Architektur der Häuser erinnert an Urlaub und die Straßenschilder weisen Richtung Cote d'Azur.
Eine Gruppe Zugvögel in V-Formation überholt mich auf ihrem Weg in den Süden. Manchmal wirkt es etwas vermessen den Menschen als Krone der Schöpfung zu bezeichnen, wenn die Vögel mit ihrem sprichwörtlichen Spatzenhirn in der Lage sind zu begreifen, dass es in dieser Formation zu fliegen energetisch günstig ist. Darüber hinaus organisieren sie sich als Gruppe im Sinne des Gemeinwohls. Die Menschen dagegen nutzen ihre kognitiven Fähigkeiten, angestachelt durch das Ego, viel zu oft nur um sich gegenseitig das Leben schwer zu machen.
Gegen 16 Uhr halte ich Ausschau nach einem Schafplatz. Was für ein geiles Gefühl maximaler Freiheit für eine Nacht immer dort zu Hause zu sein, wo man sich eben gerade befindet. Völlig egal, wo das ist, solange ich mich dort wohl fühle.
Es wird eine kleine Wiese zwischen Radweg und Rhone, nördlich von Montélimar, sichtgeschützt durch einen großen, steinigen Wall zum Weg und einem kleinen, mit Wiese bewachsenen Richtung Ufer. Ich bade im Fluß, wasche meine Sachen und ziehe meine "Zivil-Klamotten" an. Dann stelle ich mein Zelt auf und esse davor sitzend Abendbrot
T, ich lese mit baff "binäre Klammern":-)) 0 1 0 1
AntwortenLöschenHallo, Patty....sehr abenteuerlich...ich mach mir natürlich Sorgen wegen den
AntwortenLöschenTemperaturen und überhaupt?! Aber das soll Dich nicht abhalten...es gibt sicher
viel mehr positive Erlebenisse, die man im Moment so nicht sieht...tanke die Wärme
und Sonne, wenn sie dann da ist....pass auf Dich auf...ich begleite Dich in Gedanken...
Fantastischer Post! Du geiler Hund, du geiler.
AntwortenLöschenHey Patrick, Rachel und ich waren gestern zur späten Stunde mit dem Rad unterwegs. Wir beide war sehr überrascht, wie unangenehm nasskalt es zu dieser Jahreszeit werden kann. Impulsiv haben wir an Dich gedacht, bei dem Wetter radeln und zelten nur die Hartgesottenen. Wir drücken Dir die Daumen. Viele Grüße Rachel und Tobi
AntwortenLöschenUnd die Steine sprachen zu Gott: "wir wollen wie Patrick sein". Da sprach Gott: "Ihr seid nicht hart genug".
AntwortenLöschenWeiterhin gute Reise und viel Spaß weiterhin.
Grüße Thomas S