Landschaft - geht so

Gestern Nacht, ich liege lesend im Zelt, kam plötzlich ein Tier auf mich zugerannt. Die Bewegung klang so dynamisch, dass ich erst gar nicht sagen konnte, ob es ein Tier oder gleich mehrere waren, ob Hufe oder Pfoten. Es umkreist mein Zelt und als ich ein Knurren vernommen hab, wusste ich (mit einiger Sicherheit), dass es sich um einen Hund handeln musste. Ich natürlich in Habachtstellung im Zelt. Puls war da. Der Hund ging dann aber wieder und kam auch nicht mehr.

Nächster Morgen, Zelt auf, frühstücken und beobachten wie die Grautöne langsam Farbe bekommen.
Der Wetterbericht hat für heute "lebhaften" Rückenwind versprochen. Guter Dinge steige ich also in die Pedale. Es geht erstmal lang bergauf. Im Straßengraben liegt das Fell eines Hundes, an dessen Ende ein Gebiss zu sehen ist. Es riecht überall nach reichlich gedüngten Feldern.
Entgegenkommende Radfahrer grüßen freundlich, ein Passant ballt ermutigend die Faust.
Hab heute fast einen Kilometer Höhe gemacht. Ein beachtlicher Teil davon war völlig unnötig. Komoot schickt mich mehrfach von der aktuellen Straße runter, um ein Tal zu durchfahren oder einen Berg zu erklimmen, um direkt im Anschluss wieder auf die Straße zurück zu kommen. Teils geht es so steil hoch, dass ich schon drauf gewartet hab, dass mir die Kette reißt. Beim Überfahren von feuchten Gullideckeln spüre ich Schlupf an der Hinterachse. Direkt danach wieder runter bis die Felgen glühen. Und zack, wieder auf der ursprünglichen Straße. Was für ein Quatsch! Wirklich, komm mal klar komoot! Jetzt bin ich dazu übergegangen, sobald ein Richtungswechsel angezeigt wird, auf der Karte rauszuzommen und zu schauen, ob das nun auch tatsächlich Sinn macht.

Das ist heut sicher keine schöne Etappe. Das mit dem Rückenwind war auch nichts. Ich bin vorwiegend auf einer Straße, parallel zur Autobahn unterwegs und durchfahre häufig Gewerbe- oder Industriegebiete. Nur in Girona bin ich kurz auf einem hübschen Radweg unterwegs.

Wie in Frankreich auch haben gefühlte 95% der PKW Dieselmaschinen. Sogar einen Corsa A (war damals mein erstes Auto) als Diesel sehe ich. Natürlich alle mit clean-Diesel-Technology 😅 Junge, was hab ich heute Ruß inhaliert!
Das Wetter wird genau wie ich mit der Gegend nicht richtig warm. Um 13 Uhr werfe ich den ersten Schatten. Kurz drauf Regen. Es ist einer der Tage, an denen man den ganzen Tag das Gefühl hat, die Sonne müsste eigentlich gleich untergehen. Ich hol meinen Fleece wieder raus und bei Regen wiederholt den Poncho.
Gegen Ende des Tages steigt der Härtegrad meines (eigentlich guten) Sattels regelmäßig ins Unermessliche. Es ist ab einem bestimmten Zeitpunkt unmöglich noch irgendeine Sitzposition zu finden, die auch nur annähernd akzeptabel ist. Heute rangiert die Härte irgendwo zwischen Quarz und Korund. Ich wimmere leise Alicia Keys 'Girl on Fire" vor mich hin und ersetze dabei 'this girl' durch 'my ass' 😅
Hab heute unzählige illegal entsorgte Müllberge und verrostete PKW-Wracks gesehen. Die Gerippe der Fahrzeuge stehen klischeehaft auf Backsteinen o.ä., manche sind so zerlegt, dass man im Vorbeifahren in die Brennräume schauen kann. Insgesamt liegt viel Müll auf und neben der Straße. Die Autos scheinen hier regelmäßig ihre Bremsbeläge zu verlieren. 

Als ich mich Barcelona nähere, stehen neben der Straße ganze Siedlungen an notdürftig zusammengenagelten, Wellblech-bedachten Hütten. Manchmal seh ich dort Menschen um ein Feuer stehen. Dann stinkt es nach verbranntem Kunststoff. Prostituierte warten am Straßenrand auf Plastikstühlen sitzend auf Kundschaft.
Um Abstand von dieser Szenerie zu gewinnen, fahr ich gegenüberliegend hoch in die Berge, muss die letzen Meter durchs Geäst schieben und schlage mein Zelt im Wald auf. Trotz der abgelegenen Lage sind hier noch einige Spaziergänger unterwegs. Da ich nie weiß, wie die Leute auf Wildcamper reagieren, versuche ich unterm Radar zu bleiben. Das ist ein gewisser Zielkonflikt, wenn man tagsüber mit gelben Satteltaschen und Leuchtweste möglichst gesehen werden möchte und abends im Wald am liebsten unsichtbar wäre.