Hochpunkt
Die Sonne scheint durch den glaslosen Fensterrahmen und weckt mich. Ich mach das Zelt auf, mein Atem dampft in die Sonne. Auf den Feldern liegt Reif.
Es widerstrebt mir mit den kalten Händen kalte Dinge anzufassen. Leider ist aktuell genau das deren einzige Aufgabe. Ich frühstücke mit Handschuhen. Die Fahrradklamotten, die auf der Leine hingen, steck ich mir zum Vorwärmen unter meine Jacke (schon wieder fühle ich mich an die Arbeit erinnert 🙈)
Ein Glück kein Nebel, ein Glück geht es bergauf! Ich lege immer eine Hand auf den Rücken, damit sie wärmende Sonnenstrahlen abbekommt. Meine Hände sind verflucht kalt. Mein rechter Ringfinger fühlt sich geschwollen an, als ob er gestaucht wäre.
Ein Bergziegenbock mit mächtigen Hörnern quert vor mir die Straße und springt rechts in die Berge. Kurz drauf sehe ich am Straßenrand einige Bergziegen beim frühstücken.
Nach einer Stunde komme ich in ein Dorf, eine Bäckerei hat geöffnet. Ich kaufe Brot und mache übertrieben lang Smalltalk, um mich etwas aufwärmen zu können. Der Bäcker meint, es sei nur noch ein Kilometer bis zum Gipfel. Ich freue mich! (Es waren eher zehn, wie sich später rausstellen sollte)
Dieses spanische Brot ist so schrecklich hell, das blendet beim Essen! Die backen das nicht mit Mehl, sondern mit Magnesiumoxid. Wenn ich das bei Neuschnee fallen lassen würde, wäre es unter gar keinen Umständen mehr auffindbar 🤣 Naja, der Hunger zwingt's rein!
Ich komme auf den Hochpunkt dieser Tour, gut 1000 m.
Ich bin auf einem Plateau. Es geht permanent in langen Wellen bergauf und bergab, erst nach 20 km wird summarisch zaghaft Höhe abgebaut.
Es bleibt trotz der Sonne frisch. Meine zweite Jacke ziehe ich erst am späten Nachmittag aus.
Meine neue Hypothese bzgl. der inflationären Häufung von Platten lautet wie folgt: meine Räder sind mit den harten offroad-Passagen einfach überfordert. Fast 2000 km auf der Tour passiert nichts, ich weiß nicht wieviele 1000 km davor auch nicht (erinnere mich nicht mehr, wann ich den Schlauch zuletzt gewechselt hatte) und plötzlich hab ich jeden Tag mindestens einen Platten. Und das hat angefangen mit den schlechten Strecken in Spanien. In Frankreich war es ja fast nur Asphalt, zu Hause in der Regel auch.
Also müsste an einem reinen Asphalttag wie heute alles gut gehen. Zuversichtlich erhöhe ich am Nachmittag den Druck auf dem Reifen. (Beim letzen Mal war die Druckerhöhung eher kontraproduktiv.)
Zwei Stunden später war es wieder soweit! Hypothese widerlegt. Da mich ein netter ex-Kollege gedanklich auf das Felgenband gelenkt hat (Danke Dir, Thomas S. 😊), habe ich es nochmal in den engeren Kreis der Verdächtigen genommen und es über den kompletten Felgenumfang mit Panzertape abgeklebt. Für die nächsten zwei Stunden hatte ich immerhin keinen Platten.
Die Sonne seht schon flach, ich "verheddere" mich auf eine Autobahn, fahre die nächstmögliche ab und suche nach einer Überdachung. Es soll wieder 0 Grad geben. Ich finde nichts, frage Leute, nehme einen überdachten Außenbereich eines Cafés in Augenschein, frage weiter und werde auf einen Campingplatz hingewiesen. Ich rufe an, sie haben offen. Die Sonne ist bereits untergegangen, es wird zügig kalt. Ich miete mir widerwillig ein Bungalow.
Klar, gönn dir Bungalow!
AntwortenLöschenIch glaube, das nimmt dir von deinen Lesern keiner krumm, bei den vielen Kilometern, die du mitten im Winter schon gesammelt hast und den Nächten in der Wildnis :) Hau rein und beste Grüße!